Kommt ein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch Vermittlung eines Personaldienstleisters zustande, zahlt der Arbeitgeber in aller Regel an den Personaldienstleister eine Vermittlungsprovision. Der Arbeitnehmer ist kurze Zeit für den Arbeitgeber tätig. In allgemeinen Geschäftsbedingungen, die der Arbeitgeber bei Vertragsunterzeichnung verwendet hat, ist eine Erstattungspflicht des Arbeitnehmers bei Eigenkündigung vereinbart. Der Arbeitnehmer kündigt das Arbeitsverhältnis nach kurzer Zeit. Kann der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer verlangen, die Vermittlungsprovision zu erstatten?
1. Verwenden Arbeitgeber vorformulierte Vertragsbedingungen, auf deren Inhalt ein Arbeitnehmer keinen Einfluss nehmen konnte, liegen nach dem äußeren Erscheinungsbild Allgemeine Geschäftsbedingungen vor. Ausgehandelt sind diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen erst dann, wenn der Arbeitgeber deren Inhalt ernsthaft zur Disposition gestellt hat und Änderungswünsche des Arbeitnehmers in den Arbeitsvertrag aufgenommen worden sind.
2. Allgemeine Geschäftsbedingungen werden auf Antrag überprüft und dürfen für einen Arbeitnehmer nicht überraschend sein. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. So darf eine Klausel beispielsweise nicht an einer unerwarteten Stelle im Arbeitsvertrag untergebracht werden. Im Einzelfall kann der Arbeitgeber gehalten sein, auf die Regelung besonders hinzuweisen oder sie drucktechnisch hervorzuheben. Wird der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss ausdrücklich auf die Erstattungspflicht hingewiesen, ist die Vereinbarung nicht überraschend.
3. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich mit der Entscheidung vom 20.06.2023 (Az. 1 AZR 265/22) mit einer Erstattungsklausel befasst und die Klausel „Erstattung einer Vermittlungsprovision“ einer Inhaltskontrolle unterzogen. Zunächst wird geprüft, ob die Erstattungsklausel eine Hauptpflicht der Arbeitsvertragsparteien regelt. Zu den Hauptleistungspflichten im Arbeitsvertrag gehören die Arbeitsleistung und das Entgelt. Die Erstattungspflicht gestaltete nicht die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten der Parteien. Sie regelte außerhalb der Hauptleistungspflichten, welche Aufwendungen der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zahlen sollte, wenn das Arbeitsverhältnis nicht über einen bestimmten Zeitpunkt fortbestand.
4. Nach Ansicht des BAG benachteiligt die Erstattungsklausel den Arbeitnehmer unangemessen. Grundsätzlich ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird, unangemessen. Hierbei werden wechselseitig die Interessen der Arbeitsvertragsparteien bewertet. Abzuwägen sind die Interessen des Arbeitgebers als des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber den Interessen des Arbeitnehmers.
Zu den Interessen des Arbeitnehmers gehört die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Sein Recht ist grundrechtlich über Art. 12 GG geschützt. Neben der Entscheidung für eine konkrete Beschäftigung ist deswegen auch sein Wille geschützt, die Beschäftigung aufrechtzuerhalten oder aufzugeben. In diese Rechtsposition des Arbeitnehmers greift die verwendete Klausel ein.
Der Arbeitnehmer hat keinen Vorteil allein daraus, dass er einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat. Hätte er über den Abschluss eines Arbeitsvertrages hinaus z. B. eine vom Arbeitgeber bezahlte Fortbildung oder eine berufliche Weiterqualifikation erhalten, stünde sein Vorteil der Investition des Arbeitgebers durch die Bezahlung der Vermittlungsprovision an eine Vermittlungsagentur gegenüber. Im hier entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber zwar eine finanzielle Aufwendung zur Personalbeschaffung. Diese Kosten kann der Arbeitgeber aber nicht auf den Arbeitnehmer "abwälzen". Im Rahmen seines Geschäftsbetriebs trägt der Arbeitgeber das unternehmerische Risiko, dass sich von ihm aus eigenem Antrieb getätigte finanzielle Aufwendungen zur Personalbeschaffung "lohnen".
Die Klausel zur Erstattung einer Vermittlungsprovision bei Eigenkündigung benachteiligte den Arbeitnehmer unangemessen. Der Arbeitnehmer musste trotz vorzeitiger Eigenkündigung die Vermittlungsprovision nicht erstatten.
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