Wenn sich die betrieblichen Abläufe ändern, z. B. bei Störungen von außen, kurzfristigen Ausfällen von Produktionsanlagen, Wetteränderungen, u.a. sollen Arbeitnehmer zeitnah informiert werden. Hier schließt sich die Frage an, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, während der Freizeit Kontakt zum Arbeitnehmer aufzunehmen, um ihn über die Veränderungen im Hinblick auf seine Arbeitszeit einzuweisen. In dieser Konstellation können sich Arbeitnehmer fragen, ob sie ein Recht auf Unerreichbarkeit haben.
Das Bundesarbeitsgericht hat sich am 23.08.2023 (vgl. BAG vom 23.08.2023 - Az. 5 AZR 349/22) mit der Erreichbarkeit von Arbeitnehmern in deren Freizeit befasst. Hiernach sind Arbeitnehmer zur Entgegennahme von Weisungen des Arbeitgebers, z.B. zur Steuerung von Schichtzeiten, in der Freizeit verpflichtet.
Wenn der Arbeitgeber die dienstliche oder private Mobiltelefonnummer des Arbeitnehmers kennt, oder die private E-Mail-Adresse oder die Festnetztelefonnummer des Arbeitnehmers, dann geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich auch in seiner Freizeit verpflichtet ist, Nachrichten des Arbeitgebers in Bezug auf Veränderungen der Arbeitszeit oder des Arbeitsortes entgegenzunehmen. Die Nachrichten müssen ihm in Wort und Schrift auf dem Telefon bzw. Computer zugehen. Gibt es im Betrieb eine Betriebsvereinbarung über die Anpassung der Arbeitszeit, wird sich die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Entgegennahme von Weisungen aus der Betriebsvereinbarung ergeben. Außerdem muss sich die Kontaktaufnahme in der Freizeit auf Sachverhalte reduzieren, die erst in der Freizeit des Arbeitnehmers erkennbar werden und die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigen. Deshalb ist zu fragen, ob die Kontaktaufnahme wegen ihrer Bedeutung keinen weiteren Aufschub duldet. Dies ist in jedem Einzelfall zu prüfen, wobei Springerdienste oder z. B. die Tätigkeit als Notfallsanitäter eine solche Kontaktaufnahme in der Freizeit rechtfertigen kann. Dennoch muss der Arbeitnehmer nicht während seiner gesamten Freizeit ununterbrochen für den Arbeitgeber erreichbar sein. Es bleibt dem Arbeitnehmer überlassen, wann und wo er die Nachricht des Arbeitgebers entgegennimmt. Er muss nicht mit dem Arbeitgeber in Kontakt treten, sondern kann lediglich die Nachricht des Arbeitgebers entgegennehmen.
Damit bleibt festzuhalten, dass Arbeitnehmer in der Freizeit für Weisungen des Arbeitgebers erreichbar sein müssen. Es besteht kein absolutes Recht auf Unerreichbarkeit. Die Entscheidung, wann sich der Arbeitnehmer in seiner Freizeit über die Konkretisierung der Arbeitspflicht und gegebenenfalls über Änderungen seines Dienstplans informieren muss, wird in jedem Einzelfall unterschiedlich sein. Die Entgegennahme der Nachricht muss in jedem Fall vor dem geplanten und üblichen Dienstbeginn erfolgen.
Verstößt der Arbeitnehmer gegen die grundsätzliche Pflicht zur Erreichbarkeit in vorwerfbarer Weise steht eine Abmahnung im Raum.