Ist einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) die Zulassung zu entziehen, wenn die faktische Tätigkeit seit 1 1/2 Jahren eingestellt ist und keine Grundlagen für eine positive Prognoseentscheidung vorgetragen sind, die ein Ruhen der Zulassung als milderes Mittel rechtfertigen?
Grundsätzlich richtet sich die Entziehung der Zulassung nach den Kriterien der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn. Wegen der Schwere des Eingriffs ist die Entziehung der Zulassung immer das letzte Mittel. Sie soll nur ausgesprochen werden, wenn sie das einzige Mittel zur Sicherung und zum Schutz der vertragsärztlichen Versorgung ist. Es gibt aber keinen Grundsatz, dass vor jeder Zulassungsentziehung eine Disziplinarmaßnahme durchzuführen ist. Für die Anordnung des Ruhens der Zulassung gemäß § 95 Abs. 5 Satz 1 SGB V als milderes Mittel im Verhältnis zur Entziehung der Zulassung bedarf es einer positiven Prognoseentscheidung des Zulassungsausschusses bzw. des Berufungsausschusses. Die hierfür erforderlichen Tatsachengrundlagen vorzutragen, obliegt in erster Linie dem Medizinischen Versorgungszentrum.
Die Prognose über die Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit ist unter dem Gesichtspunkt der "angemessenen Frist" zu prüfen. Das ist abhängig vom Grund der Nichtausübung und damit von den Umständen des Einzelfalls. Es muss zeitlich fest umreißbar sein, wann die Tätigkeit als Vertragsarzt wieder aufgenommen wird. Eine starre Obergrenze (wie z. B. in § 81 Abs. 5 SGB V) gibt es nicht. Die angemessene Frist ist aber ein gerichtlich vollständig überprüfbarer Rechtsbegriff. Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass ein Ruhen der Zulassung als milderes Mittel gegenüber der Entziehung der Zulassung nicht in Betracht kommt, wenn zur Zeit der Verwaltungsentscheidung nicht abzusehen ist, ob und wann der Arzt wieder über eine Approbation verfügen wird und mit der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von mindestens zwei Jahren zu rechnen ist.
Wenn der Arzt nicht mehr den Willen zur kontinuierlichen Teilnahme an der Versorgung hat, wird von einer Ausübung der Tätigkeit nicht mehr ausgegangen. Unter Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt der Wille zur kontinuierlichen Teilnahme an der Versorgung dann nicht mehr vor, wenn die Fallzahl um mehr als die Hälfte des Durchschnitts der Fachgruppe unterschritten wird und kein voller Versorgungsauftrag ausgefüllt wird, falls nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen. Die Praxis der Rechtsprechung stellt auf den tatsächlichen Umfang der noch ausgeübten Tätigkeit ab. Die Zulassung kann entzogen werden, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit tatsächlich nicht mehr ausgeübt wird, ganz unabhängig davon, ob der Sitz des Vertragsarztes in einem Gebiet gelegen ist, für den der Landesausschuss die Über- oder Unterversorgung festgestellt hat (vgl. Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, 18.11.2020-L1 KA 2/18).